Krankheitsentstehungstheorien


Entstehungstheorien

Viele Faktoren wie genetische, biologische, psychische und soziale Aspekte spielen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung psychosomatischer Erkrankungen.
Symptome hierfür sind als Signal für eine Störung zu sehen, denn das psychosomatische Symptom bleibt so lange, bis eine ausreichende Gesamtbehandlung nach dem „bio-psycho-sozialen“ Modell erfolgt, und dadurch dann das Symptom überflüssig wird. Zur Erkennung psychosomatischer Erkrankungen gibt es einige verschiedene Theorien:


1. Konversionstheorie

„Konversion“ ist lateinisch und bedeutet „verdrehen“ oder „verkehren“.
Darf ein innerer, intensiver Wunsch nicht in die Tat umgesetzt werden oder besteht nicht die Möglichkeit, dass man ihn lebt, da er auf innere und äußere Verbote trifft, entsteht ein Konversionssymptom. Daraus bildet sich ein Konflikt, der vom Bewusstsein verdrängt wird. Dieser Konflikt wird dann ins Körperliche verdreht und verlagert, was zu Schmerzzuständen führt. Auch organisch unerklärbare Erkrankungen, selbst Lähmungen können daraus resultieren.

Beispiel: Eine kinderlose alleinstehende Frau liebt ihren Vater über alles und pflegt diesen, als er pflegebedürftig wird. Nach einigen Jahren bekommt sie plötzlich Schmerzen und muss selbst gepflegt werden. Der Gedanke daran, dass sie sich nicht mehr um ihren Vater kümmern kann, macht ihr Leiden unerträglich. Ärzte finden keine Ursache dafür und von den Schmerzmitteln bekommt sie Gastritis. Sie hält jedoch daran fest, dass ein organisches Problem dahintersteckt.

Bei medizinisch unerklärbaren Beschwerden, Funktionsstörungen, Lähmungen und Schmerzzuständen ist es wichtig, den Zusammenhang zu erfassen, den Sinn der Schmerzen, den Auslöser und psychodynamischen Hintergrund zu finden.
Jedoch ist dies nicht einfach, da selbst Patienten, die einsehen, dass es sich um ein psychosomatisches Geschehen handelt und bereit sind, eine Psychotherapie zu machen, um das Geschehen zu verstehen, Widerstand leisten und psychische Abwehrreaktionen zeigen. Wäre dies nicht so, würde der Weg der Konversion nicht von Seele und Körper gemeinsam gewählt werden.

Im oben genannten Beispiel hätte die Tochter das Gespräch mit dem Vater suchen sollen, um ihm zu erklären, dass sie auch Freizeit braucht, da ihr alles zu viel wurde. Durch die Vermeidung dieses offenen Gesprächs, entstand aus Schuldgefühlen, Überforderung und Aggressionen eine ausweglose Situation, die über Konversion zur psychosomatischen Erkrankung geführt hat.


2. vegetative Neurose

Fühlt man Angst, Wut, Kränkung, Enttäuschung, entstehen entsprechende Reaktionen des Vegetativums, also des unwillkürlichen Nervensystems.
Wut oder Angst erzeugen Herzklopfen, kalte Gliedmaßen, Schweißausbrüche, Blutdruckerhöhung und Erhöhung der Herzleistung.
Durch Emotionen, die nicht abgebaut werden können, die also hineingefressen werden, und nicht durch positive Gefühle unterbrochen und abgelöst werden können, ist es möglich dass Stauungsprozesse entstehen. Diese bewirken dann die Erhöhung des Blutdrucks, bilden Durchblutungsstörungen und verschiedene psychosomatische Erkrankungen.

Werden tiefe Gefühle wie Wut und Angst nicht mehr gelebt oder wahrgenommen, weil es die Situation nicht zulässt, oder die Gefühle in der Kindheit von den Eltern unterdrückt oder ausgetrieben worden sind, reagiert das vegetative Nervensystem jedoch weiter in den entsprechenden Situationen, wie es reagieren muss, sodass genau die oben genannten Symptome wie Herzklopfen… hervorgerufen werden.

Die mangelnden Möglichkeiten, die seelische Bedrücktheit durch Reden, Klagen, Weinen, Schreien abzureagieren, zu mildern, führen zu einem Stau, einer fortlaufenden Überbeanspruchung der Organe und schließlich zur psychosomatischen Erkrankung.
Dadurch dass die konfliktbeladene, verletzende, traumatisierende Szene im Hintergrund unbewusst aktiv bleibt und die begleitenden vegetativen Veränderungen andauern, entstehen Störungen wie Herzrasen, Druckgefühl auf der Brust und Bluthochdruck.

In der Psychotherapie wird versucht, den Patienten die vegetative Reaktion wieder verständlich zu machen, sie wieder mit den Gefühlen in Verbindung zu bringen.
Frühe Botschaften wie „Männer weinen nicht“, „Gefühle zu zeigen macht angreifbar und schwach“ [Prim. Dr. Med. Manfred Stelzig, 2009, Seite 43] sollten hinterfragt und nicht ernst genommen werden.
Oft scheint die momentane Situation ausweglos zu sein, ein Umdenken oder Umfühlen ist nötig, um Fehlschaltungen aufzulösen, wozu häufig psychotherapeutische Hilfe notwendig ist. Dabei hilft der Psychotherapeut, die Weichen zu stellen und eine andere Betrachtungsweise der Zusammenhänge zu ermöglichen.

Sich körperlich abzureagieren sollte auch wiedererlernt werden. Bei Kindern ist der Zusammenhang zwischen Fühlen und Bewegen zu erkennen, im Laufe des Erwachsenwerdens werden jedoch die körperlichen Möglichkeiten, Stauungsprozessen entgegenzuwirken, immer mehr unterdrückt.

3. Stresstheorie

Laut Gerald Hüther, Autor vom Buch „Biologie der Angst“, existiert bis heute kein allgemein akzeptiertes Stressmodell, da der Stressbegriff so vielfältig gebraucht worden und in die Umgangssprache eingegangen sei, dass es heute unerlässlich ist, der Verwendung dieses Begriffs eine Betrachtung seiner Entstehung und Konzeptualisierung voranzustellen.

Laut Schmerzforscher Hans Selye sei Stress eine unspezifische Reaktion des Körpers auf jegliche Beanspruchung, was wiederum bedeutet, dass Leben ohne Stress nicht möglich sei.
Stress ist also die Grundlage zum Impuls des Lernens und bedeutet Auseinandersetzung mit etwas Neuem.
Der Schmerzforscher unterscheidet zwischen „Disstress“ und „Eustress“.
Sind die Kompensationsmechanismen deutlich überfordert und müssen auf physiologischer und auf psychologischer Ebene Nebenschienen für Bewältigungsstrategien gebildet werden, spricht man von Disstress.
Als Herausforderung, Muntermacher, Erweiterung des Möglichen wird Eustress bezeichnet. Dieser steigert Leistungsfähigkeit und Kreativität und regt zu Bewältigungsstrategien für Belastungen an.

Stress schlägt sich im serotonergen und noradrenergen System nieder, welches für Aufmerksamkeit, Antrieb, Kraft, Elan, Vitalität, Libido, jedoch aber auch für Schlaf und Entspannung zuständig ist.
Diese Botenstoffe im Nervensystem werden bei dauernder Überforderung, also bei Dauerdisstress zu rasch verbraucht, wodurch ein Serotinmangel-Syndrom entsteht.
Anzeichen dieses Syndroms sind Antriebsarmut, Lustlosigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Libidoverlust, Sexualstörungen, Aufmerksamkeitsstörungen, Gedächtnisstörungen, Schmerzen am ganzen Körper, Depressionen, Angst und Gereiztheit.

Wird dieses Syndrom nicht durch Entspannung, Erholung, Zuwendung, Liebe, Freude, Konfliktbereinigung… ausgeglichen, wird das ACTH-Cortisolsystem hinzu geschaltet. Dies bedeutet, dass die Stresssituationen eine Zeit lang, auf Kosten der Substanz, also durch Abbau des Immunsystems, kompensiert werden.
Neurotische Fehlentwicklungen mit übermäßigem Leistungszwang, Leistungsdruck durch äußere Umstände, unlösbare Konflikte, familiäre oder arbeitsbedingte Überforderungen, die Pflege kranker Angehöriger, Nikotin, Alkohol, Drogen, sowie jeglicher Substanzmissbrauch, der die Warnsignale des Körpers manipuliert, können das Umschalten auf das Cortisolsystem begünstigen.
Psychisch ist eine Regression zu beobachten, was bedeutet, dass orale Befriedigungen wie Zigarettenkonsum oder Stressessen zur Beruhigung erhöht werden, wodurch die körperliche Gesundheit zusätzlich stark gefährdet wird.

Da Nikotin eine antidepressive Wirkung hat, wird besonders oft zur Zigarette gegriffen, um Stress abzubauen, jedoch ist das Rauchen Hauptverursacher von Krebserkrankungen in den Atemwegen. Auch die Entstehung von Karzinomen im Magen-Darm-Trakt, sowie chronische Bronchitis, Lungenentzündung und Asthma bronchiale sind mit dem Rauchen verbunden.

Ein weiterer Punkt der Regression ist das Empfinden, dass Mitmenschen und Freunde eine Belastung und Bedrohung sind, anstatt diese als Entlastung zu betrachten.
Der Versuch, mit sich selbst allein klarzukommen verändert das Verhalten, die Stimmung wird immer gedrückter und schließlich wandelt sich diese ins Depressive um.
Hier ist wieder die Psychologie mit der Physiologie stark zusammenhängend, denn in der Erschöpfungsphase beider Systeme entsteht ein Einbruch, Mangelerscheinungen mit Infektionsanfälligkeit lassen sich erkennen.

Eine Menge Erkrankungen wie Asthma bronchiale, viele Hauterkrankungen oder entzündliche Darmerkrankungen, die häufig einen allergischen Faktor haben oder mit Immundefekten verbunden sind, müssen in der Akutphase mit Cortison behandelt werden.
Viele Patienten berichten, dass sich ihre Leiden unter vermehrtem (krank machendem) Stress verschlimmern oder wieder neu aufflammen.
Auch nennenswert ist, dass das Herzinfarkt-Risiko bei depressiven Menschen dreimal höher ist, was darauf zurückzuführen ist, dass in der Phase in der durch Cortisol organische Veränderungen herbeigeführt werden, auch die Blutzusammensetzung und Gefäßinnenwände dadurch negativ beeinflusst werden.

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